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Aus der kleinen Dorfschule zur modernen Grundschule

Obwohl Luftangriffe und das Umlernen von Schulritualen unmittelbar nach dem Krieg die markantesten Erinnerungen von Ingrid Küpker, geb. Schlalos, Jahrgang 1936, darstellen, steht für sie der Schulalltag, im Vordergund.

,,Ich bin 1942, also mitten im 2. Weltkrieg, eingeschult worden. Meine Mutter hatte für mich von irgendwoher einen alten Schultornister besorgt, der mit schon abgeschabtem Seehundsfell bespannt war. Darin waren Tafel und Griffel und auch einige Schulbücher.
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, fällt mir vor allem der häufige Fliegeralarm ein. Wir mussten dann sofort die Schule verlassen und nach Hause gehen. Ein Fahrrad hatte in Kriegszeiten niemand. Kam die Entwarnung noch während der Unterrichtszeit, mussten wir wieder zur Schule zurückkehren. Das waren für so kleine Schulkinder ganz beträchtliche Wege, die da zurückgelegt werden mussten. Erschwerend kam hinzu, dass wir nur Holzschuhe hatten, in denen das Laufen mühsam und schmerzhaft war. Gegen Ende des Krieges wurden wir Schulkinder für die Alarmzeiten auf die verschiedenen Häuser mit Keller in der Nähe der Schule verteilt. Ich war dem ,,Feldschlösschen" zugewiesen.
Als dann der Krieg vorbei war, mussten wir plötzlich umlernen.
Statt des bis dahin üblichen Grußes ,,Heil Hitler" mussten wir nun ,,Guten Morgen, Herr Lange!" sagen. Das fiel uns schwer, nicht weil wir etwas Positives mit Hitler verbunden hätten, sondern weil es zur Gewohnheit geworden war. Mein Bruder fehlte damals längere Zeit in der Schule. Als er wiederkam, hatte er von dem geänderten Morgengruß noch nichts gehört. (Ich hatte es offenbar auch nicht für nötig befunden, ihn darüber zu unterrichten). Wir sagten alle ,,Guten Morgen, Herr Lange!", nur mein Bruder rief mit hochgerecktem Arm ,,Heil Hitler!".
Doch nun zum Unterricht! Die Schule Wechloy hatte damals zwei Räume. In dem einen waren die Klassen 1 - 4, in dem anderen die Klassen 5 - 8 untergebracht. Wir Mädchen saßen an der Fensterbank, die Jungen an der Wandseite. Nur im Winter wechselten wir manchmal, damit wir zarteren Mädchen mehr in der Nähe des großen Ofens sitzen konnten. Das war aber nicht immer eine reine Freude. Denn oft war der Ofen rotglühend und viel zu heiß, so dass man neben ihm keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
Die jüngeren Jahrgänge wurden oft von den älteren Schülern unterrichtet. So ein größerer Schüler ging dann mit einer kleinen Gruppe auf den Flur oder in eine Ecke des Klassenraums und übte dort mit den kleineren. Ich war meinem älteren Vetter zugeteilt worden, der mit uns das kleine Einmaleins üben sollte. Ich fand es schrecklich, von ihm unterrichtet zu werden. Er war auch besonders streng zu mir und erzählte dann auch noch immer mittags zu Hause von meinen ,,Untaten".
Unsere Sitzordnung konnten wir uns nicht frei wählen, sondern wir wurden von unseren Lehrern nach Leistung gesetzt. Der beste Schüler saß ,,zuoberst", der zweitbeste ,,zu zweitoberst" usw. Das änderte sich alle paar Wochen. Es kam auch vor, dass jemand aus dem zweiten Schuljahr schon mit bei den Schülern des 3. Schuljahres saß. Natürlich ging es auch manchmal umgekehrt zu.
In der Pause rasten wir Mädchen sofort zu den Turngeräten (Reckstange und Barren), um möglichst einen Platz daran zu ergattern. Wir machten Bauchwelle mit ,,Todessprung" und andere waghalsige Übungen. Gott sei Dank passierte nichts dabei. Sehr gern spielten wir auch Kriegen rund um das Toilettenhäuschen. Das war uns allerdings verboten worden, weil die Jauchegrube nur mit morschen Brettern zugedeckt war. Wir taten es natürlich trotzdem und dabei passierte es, dass ein Mädchen in die Jauchegrube einbrach. Sie wurde sofort von den anderen Kindern herausgezogen, aber die Ärmste sah entsetzlich aus und roch auch so. Wir trugen damals fast alle lange Hosen, die unsere Mütter uns aus dicken, harten Wolldecken (Pferdedecke genannt) genäht hatten. Diese Hose nun wurde dem Mädchen ausgezogen, unter die Pumpe gelegt und ordentlich gewässert und ausgespült. Dann wurde sie zum Trocknen in Ofennähe aufgehängt. Mittags ging meine Schulkameradin dann mit feuchter Hose und nassen Schuhen und Strümpfen wieder nach Hause.
Gucke ich mir ein Foto aus meiner Schulzeit an, muss ich feststellen, dass fast niemand von meinen Schulkameraden zur Höheren Schule gekommen ist. Die Wechloyer waren früher bestimmt nicht dümmer als heute. Aber in vielen Familien fehlte der Vater, und das Schulgeld, das damals noch bezahlt werden musste, war nicht aufzubringen. Für Mädchen lohnte solch ein Aufwand nach damaligem Verständnis ja sowieso nicht. Bei Herrn Johannsen, dem zweiten Lehrer an der Schule, haben wir aber schon Englisch gelernt. Herr Lange ist mit uns trotz seiner Gehbehinderung im Sommer zu Fuß zu einer Tonkuhle nach Bloherfelde gegangen und hat uns dort das Schwimmen beigebracht. Das war damals noch längst nicht an allen Schulen üblich.

Wie es Herrn Lange, der gleichzeitig Vorsitzender des Heimatsvereins ist, gelingt, die Schule, den Heimatverein und die Wechloyer Bevölkerung - auch in schweren Zeiten - eng zu verknüpfen, bezeugt Marie Lange.

,,Viele Jahre später habe ich den Hauptlehrer Johann Lange geheiratet und bin mit ihm in die Lehrerwohnung am Küpkersweg eingezogen. Damals galt so ein Lehrer im Dorf noch als Autorität. Er gehörte dazu. Da setzten sich die Lehrer mittags nicht in ihre Autos und brausten davon, sondern sie lebten mit in der Dorfgemeinschaft. Das fand ich schön. .
Mein Mann unterrichtete am liebsten Biologie und freute sich darüber, dass es ihm gelang, auch die Schüler dafür zu begeistern. Wir hatten einen Bienenstand in unserem Garten bei der Schule. Dort konnten die Schüler aus nächster Nähe sehr anschaulich etwas über die Biene, das kleinste Haustier, erfahren.
Die Lehrer früher, auch mein Mann, waren streng. Da gab es häufiger mal was mit dem Rohrstock. Aber kein Schüler beschwerte sich zu Hause darüber, denn dann hätte er von seinem Vater sicher noch einmal eine Tracht Prügel bezogen.
Das Leben während des 2. Weltkrieges und vor allem in der Nachkriegszeit war schwer. Doch durch die Einsatzfreude und die Hilfsbereitschaft aller - der Schüler und der Eltern - wurden die Schwierigkeiten gemeistert. Viele Schüler hatten keine Schuhe - da spendete Bauer Fortmann einen Baum, aus dem Holzschuhe gemacht wurden. Es gab kein Heizmaterial für die Schule im Winter - da fuhr mein Mann mit den größeren Schülern auf Fahrrädern zum Torfstechen an den Küstenkanal.
Wunderschön waren jedes Jahr wieder die Weihnachtsfeiern, die von den Schülern aller Jahrgänge gemeinsam gestaltet wurden. Sie fanden im Saal des ,,Drögen Hasen" statt. Die Schüler damals waren noch nicht übersättigt mit Eindrücken durch Kino und Fernsehen. Sie und die Eltern waren leicht zu begeistern und spielten mit Hingabe und Freude."