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Aus der kleinen Dorfschule zur modernen Grundschule

Georg Scheide berichtet seinerseits über Unterrichtsrituale und -inhalte sowie Pausen und Spiele in der Schule WechIoy:

,,Ich gehörte, als ich 1915 eingeschult wurde, zum ersten Jahrgang, der von Anfang an die neue Wechloyer Schule besuchte.
Großes Aufheben von uns Schuleranfängern wurde weder in der Schule noch in der Familie gemacht, sonst könnte ich mich bestimmt daran erinnern. Meinen Tornister erbte ich von meinen älteren Geschwistern, eine Schultüte oder dgl. gab es nicht.
In der Schule kamen wir in den Klassenraum, in dem Herr Osterloh, unser Lehrer, alle acht Jahrgänge unterrichtete. Die Großen saßen auf der Türseite, die Kleinen am Fenster, die Jungen vorn, die Mädchen hinten. Uns wurden die Plätze zugewiesen, und es ging los mit Schreiben und Rechnen, denn das waren die Hauptfächer. Wir Kleinen wurden meist von den großen Schülern unterwiesen, wie es damals üblich war.
Morgens begann der Unterricht mit einem Lied, das, wenn es klappte, Herr Osterloh auf seiner Geige begleitete.
Ich meine, wir hätten morgens von 8.00 bis ungefähr 11.00 Uhr Unterricht gehabt, nachmittags von l4.00 bis l6.00 Uhr. Natürlich bekamen wir Hausaufgaben auf, meist Schönschreiben oder später Aufsätze. Die Arbeiten mussten sehr sorgfältig erledigt werden, damit Herr Osterloh nicht böse wurde. Da wir Kinder auch noch zu Hause helfen mussten, etwa Milch vom Bauern holen, Futter für die Schweine zurechtmachen, Hühner versorgen usw., hatten wir nicht jeden Tag viel Zeit zum Spielen.
An die Pausen in der Schule erinnere ich mich gut. Wir haben meist mit Bällen gespielt, selbstverständlich nie mit Mädchen, die ihrerseits in einer anderen Ecke des Schulhofes ihre Spiele machten.
Unseren Lehrer, Herrn Osterloh, mochten wir alle sehr gern. Wir haben viel bei ihm gelernt. Ob er streng war, kann ich gar nicht sagen. Strafen waren damals üblich, etwa Schläge mit dem Stock auf die Finger oder bei den Jungen auch mal aufs Hinterteil.
Einmal verpetzte mich ein Mädchen (ich weiß noch, wer es war!), weil ich meinen Namen in die Schulbank geritzt hatte. Ich musste meine Hände auf die Bank legen, und Herr Osterloh schlug mit dem Stock darauf. Ich schrie fürchterlich, wie alle Kinder, damit Herr Osterloh schnell aufhörte.
Manchmal ärgerten wir ihn auch. Eines Tages kam er mit einem Globus, der damals nicht allen Kindern bekannt war, in die Klasse und fragte, was das wohl sei. Meine Schwester flüsterte ihrer Nachbarin zu, das sei ein Straußenei, was diese zum Gaudi aller auch als Antwort gab. Das arme Mädchen musste Herrn Osterlohs Empörung über soviel Dummheit über sich ergehen lassen.
Es ist klar, dass die Schlingelbank neben dem Pult so gut wie ständig besetzt war. Wurde einer von uns mal vor die Tür geschickt, hatte er Glück, wenn Frau Osterloh vorbeikam. Die war sehr gutmütig und bemitleidete ihn sehr.
Eine kleine Schwachstelle hatte Herr Osterloh jedoch auch - und das war sein Musikunterricht. Wenn wir singen sollten, musste er erst seine Geige stimmen. Das war jedes Mal solch eine umständliche Angelegenheit, dass wir Schüler schon nach kurzer Zeit anfingen zu lachen. Dann wurde Herr Osterloh wütend und schrie uns an: ,,Liederbücher weg - Rechenbücher her!" - und die Musikstunde war zu Ende, bevor sie angefangen hatte.
An besondere Ereignisse während meiner Schulzeit, wie Ferien oder Ausflüge, kann ich mich nicht erinnern. Es war ja die Zeit des l. Weltkrieges. Alle hatten genug damit zu tun, satt zu werden. Doch schön war es in der Schule Wechloy, und ich denke gern daran zurück."

Gustav Scheide drückt aus Kindessicht aus, wie sich die Stimmung in den Jahren des 1. Weltkrieges von unbeschwert in bedrückend wandelt:

"Die Kriegsereignisse brachten zunächst Erfreuliches für uns: Bei Siegen läuteten die Glocken, und das bedeutete für uns meist schulfrei. Dann spielten wir Jungen stundenlang ,,Soldaten" mit Stöcken als Gewehren. Mit der Dauer des Krieges verging uns die Lust dazu. Die Nachrichten von Gefallenen trafen immer mehr Familien, dazu die Lebensmittelknappheit, die auch in Wechloy zu spüren war. Meine Mutter hatte häufig Schwierigkeiten, uns satt zu bekommen.
Unter diesen Umständen war an Ausflüge oder dgl. mit der Schule nicht zu denken, in der Familie sowieso nicht."

Zu dieser Zeit ist der Bereich der Männer die Arbeit draußen auf dem Feld; der Bereich der Frauen sind die Haus- und Gartenarbeit sowie die Betreuung und Erziehung der Kinder. Diese Rollenzuweisung prägt die Erziehung der Mädchen, wie Marie Lange berichtet:

,,Ich bin immer gern zur Schule gegangen und war traurig, als meine Schulzeit zu Ende war. Meine Eltern hatten einen Bauernhof am Drögen-Hasen-Weg. Während meine Brüder einen Beruf erlernen durften, musste ich nach beendeter Schulzeit zu Hause im Haushalt und in der Landwirtschaft helfen. Wenn ich dann sah, wie die jüngeren Kinder morgens zur Schule gingen, wäre ich am liebsten auch wieder mitgegangen."

Am 11. November 1918 endet der Erste Weltkrieg und der letzte Großherzog, Friedrich August von Oldenburg, dankt ab.
1924 stimmt der Oldenburgische Landtag der Eingemeindung des östlichen Teils der damaligen Gemeinde Eversten (darunter auch Wechloy) in die Stadt Oldenburg zu.
1925 erfolgt die Umgliederung der Schule Wechloy zur zweiklassigen Schule. Herr Warntjes übernimmt die Unterklasse 1 - 4 und Herr Osterloh die Oberklasse 5 - 8.
Nach wie vor werden Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet, während es in anderen Stadtteilen Knaben- und Mädchenschulen gibt.
Der Sportunterricht findet auf dem Schulhof statt; dort sind ein Barren und zwei Recks fest aufgebaut.
Der Handarbeitsunterricht für die Mädchen wie Stricken, Nähen, Flicken und Stopfen wird von Frau Osterloh erteilt.
1926 wird Herr Osterloh pensioniert und Elisabeth Osterloh beteuert: ,,Bis zur Pensionierung meines Vaters im Jahre 1926 haben wir eine schöne Kinderzeit in der Schule Wechloy erlebt".